Wie Ihre Firmenstruktur die SEO-Maßnahmen torpediert
Die Struktur einer Website ist für den Erfolg dieser Website von entscheidender Bedeutung. Das gilt für den Erfolg in Google genau so wie für den Erfolg bei den Nutzern. Beides lässt sich gar nicht mehr voneinander trennen. Sie glauben nun, Sie würden die Struktur Ihrer Website so festlegen, wie es sinnvoll ist und sind vor äußeren Einflüssen, die nichts mit der Website zu tun haben, gefeit?
Dann sollten Sie sich unbedingt mit dem Gesetz von Conway auseinander setzen.
Die Wikipedia fasst dieses Gesetz so zusammen:
Organisationen, die Systeme entwerfen, sind auf Entwürfe festgelegt, welche die Kommunikationsstrukturen dieser Organisationen abbilden.
Wenn Organisationen Systeme bauen, spiegeln sich also die Strukturen der Organisation im System wider. Deshalb bauen große und komplexe Unternehmen große und komplexe Websites. Jetzt sind Websites, die der Firmenstruktur gleichen, gut fürs Unternehmen, weil für jeden Bereich auf der Website klar ist, wer im Unternehmen dafür den Hut aufhat. Doch der Nutzer interessiert sich nicht im geringsten für die Struktur der Firma, die hinter der besuchten Website steht. Er möchte nur schnell die Informationen finden, die er aktuell benötigt. Die Struktur der Site sollte sich entsprechend am Bedürfnis des Nutzers orientieren und nicht an der womöglich lange gewachsenen Firmenstruktur.
Ich habe vor einigen Jahren ein Unternehmen beraten, das aus der Fusion mehrerer eigenständiger Unternehmen hervorgegangen war. Dort wurde sehr genau darauf geachtet, dass alle einstmals eigenständigen Firmen in der Außendarstellung gleichberechtigt erscheinen. Ich habe dort dann den „Fehler“ gemacht, nur Produkte aus drei der vier Unternehmensteile für die Darstellung auf der Startseite vorzuschlagen; ganz einfach deshalb, weil das Suchvolumen des vierten Bereichs so gering war, dass eine derart prominente Platzierung aus SEO-Gesichtspunkten nicht sinnvoll erschien. Dieser Vorschlag wurde sofort einkassiert und wir mussten wertvollen Platz auf der Startseite und im Seitentitel für unwichtige Begriffe verschwenden. Die Abbildung der Unternehmensstruktur im System „Website“ konnte ich auch durch gutes Zureden nicht überwinden. Der SEO-Erfolg war entsprechend geringer als er hätte sein können.
Der mäßige Erfolg von Windows Vista – böse Zungen sagen es sei ein veritabler Flop gewesen – beruht nach einer Microsoft-eigenen Untersuchung darauf, dass die Teams, die Windows Vista gebaut haben, zu komplex waren. Sie waren deshalb nach Conway dazu verdammt, ein zu komplexes Produkt zu entwickeln. Und in der Software-Entwicklung heißt das meist: Es ist langsam, enthält viele Fehler und richtet sich nicht am Nutzerbedürfnis aus.
Auch die Strukturen in den Köpfen beachten
Websites wie auch Apps sind letztlich Systeme, die von Organisationen gebaut werden. Die Strukturen dieser Websites und Apps haben entscheidenden Einfluss auf die Usability. In einer idealen Welt, würde die Struktur von Online-Medien komplett an den Interessen und Bedürfnissen der Nutzer ausgerichtet. Conway’s Law sagt allerdings, dass die Medien immer so strukturiert sein werden, wie die Organisationen strukturiert sind – nicht wie es für die Nutzerführung ideal wäre.
Die Strukturen müssen dabei nicht unbedingt als Abteilungen oder Arbeitsgruppen vorgegeben sein. Oftmals sind die Strukturen nur in den Köpfen. Kaum eine Nachrichtenseite kommt ohne die Strukturierung nach den klassischen Zeitungsrubriken Politik, Wirtschaft oder Kultur aus. Sogar die Huffington Post, die es ja nie in Papierform gab, setzt auf diese Einteilung. Das ganze ist noch viel schlimmer: Nur die wenigsten Blogs kommen ohne ähnliche Kategorisierungen aus. Ja, ich weiß, auch Expiredweb setzt noch auf diese Struktur. Aber diese Rubriken werden als prominente Einteilung bald verschwinden, denn für den Nutzer bringen sie kaum Vorteile.
Nutzerzufriedenheit als zentraler Erfolgsfaktor
Der Erfolg im Online-Marketing hängt nun aber immer weniger davon ab, dass wir Marketer mit taktischen Kniffen die Ranking-Algorithmen an ihre Grenzen bringen. Vielmehr ist die Zufriedenheit der Nutzer mit unserem Produkt entscheidend. Für Google ist ein Bounce-to-SERP das denkbar schlechteste Qualitätssignal und die App-Stores berücksichtigen seit langem die Uninstall-Ratio im Ranking.
Nutzerzufriedenheit ist also ein zentraler Erfolgsfaktor im Online-Marketing. Doch Conway’s Law lehrt uns, dass Websites – ebenso wie Apps – nicht am Nutzer ausgerichtet werden, sondern an der vorhandenen Unternehmensstruktur oder genauer: an der Struktur der Kommunikation im Unternehmen.
Allerdings ist Conway’s Law kein unumstößliches Naturgesetz. So wie Microsoft aus dem Vista-Debakel lernen konnte und mit Windows 7 ein allseits gelobtes Betriebssystem veröffentlichte, können auch wir Online-Marketer und Produktmanager lernen.
Mit diesen einfachen Tipps widerstehen Sie der Macht Conways:
- Machen Sie sich bewusst, dass wir Menschen dazu tendieren, vertraute Strukturen auf neue Gebilde zu übertragen.
- Holen Sie sich Rat von außen. Das muss kein Consultant oder keine Agentur sein. Familienmitglieder, Freunde, Kunden oder Lieferanten kennen häufig das thematische Umfeld, haben aber nicht Ihre Betriebsblindheit und sind mit den vorherrschenden Strukturen wenig vertraut.
- Fragen Sie sich bei jeder kleinen Änderung an der Website frühzeitig, wie sich die Änderung auf Usability und Conversion-Optimierung auswirken wird.
- Überzeugen Sie die Entscheidungsträger, dass es sich lohnt, bewusst von der vermeintlich logischen Struktur abzuweichen. Suchvolumen wichtiger Keywords, die Besucherzahlen verschiedener Bereiche der aktuellen Website oder auch die Websites konkurrierender Unternehmen können dazu als Argumente dienen.
Spätestens beim nächsten Relaunch sollten Sie sich also frühzeitig bewusst werden, welche Kraft Conway’s Law entfalten kann und entsprechend gegensteuern. Damit die Struktur Ihres Unternehmens nicht länger Ihrem Marketing-Erfolg im Wege steht.
Erschienen am 3. November 2017 – zuletzt aktualisiert am 2. Juni 2024