Das verwunderliche ist nicht, dass es passiert ist, sondern viel mehr, dass es erst jetzt geschah: Das US-Justizministerium forderte von den großen Suchmaschinen die Herausgabe der Suchanfragenstatistik – und AOL, Microsoft sowie Yahoo lieferten brav die gewünschten Daten aus. Google hingegen lehnte das Ansinnen ab und hat nun eine Auseinandersetzung mit dem Justizministerium am Hals. Doch während der Fall Justizministerium gegen Microsoft in den Neunzigern Microsoft wenig Sympathie eingebracht haben dürfte, wird Googles Weigerung dem Image der Kalifornier gut tun.
Durch den Widerstand von Google wurden Details der Anfrage erst bekannt. So verlangte das Ministerium zunächst „alle URLs, die mittels einer Suchanfrage seit dem 31. Juli 2005 in der Suchmaschine aufgefunden werden konnten“. Dieses Ansinnen hätte dazu geführt, dass Google eine Datei mit etwa 20 Milliarden URLs hätte ausliefern müssen – schließlich kann prinzipiell jede URL in der Datenbank über eine Suchanfrage gefunden werden. In der Zwischenzeit hat das Justizministerium seine Wünsche reduziert und verlangt lediglich nach einer Million zufällig ausgewählter URLs.
Doch der Wunsch nach den gespeichert URLs war der eher weniger spannende Teil. Denn das Ministerium verlangte zudem alle „Suchanfragen, die vom 1. Juni 2005 bis zum 31. Juli 2005 in der Suchmaschine gestellt wurden“. Auch hier hat das Ministerium inzwischen etwas zurückgerudert und fordert nun lediglich „den Text aller Suchanfragen, die innerhalb einer Woche“ in Google gesucht wurden, ausdrücklich „ohne Informationen, die Rückschlüsse auf die Person, die die Anfrage stellte“ zuließe.
Hintergund der Ministeriumswünsche ist – zumindest offiziell – der „Child Online Protection Act“ (COPA) von 1998. Dort werden „Informationen, die schädlich für Minderjährige sind“ („harmful to minors“, abgekürzt HTM) definiert; solche „schädlichen Informationen“ dürfen COPA zufolge nicht in „kommerzieller Kommunikation im Web, die Minderjährigen zugänglich“ ist, auftauchen. Wie Danny Sullivan, Suchmaschinen-Experte und Herausgeber von searchenginewatch.com, in seinem Blog verdeutlicht, haben die geforderten Informationen keinerlei Relevanz für den offiziell benannten Grund. Denn mit einer bloßen Auflistung gestellter Suchanfragen und einer Liste von zufällig ausgewählten URLs können keinerlei Rückschlüsse auf Verstöße gegen das Gesetz gezogen werden.
Warum aber ist die Aufregung darüber so groß? Das hat zwei verschiedene Gründe. Zum einen geht es um Vertrauen – Vertrauen, das Yahoo, MSN und AOL verloren haben, da sie die Daten herausgaben, ohne dies gleichzeitig angemessen der Öffentlichkeit (sprich: den Nutzern) mitzuteilen. Andererseits aber, und das scheint mir der springende Punkt dieser Angelegenheit zu sein, war diese Anfrage lediglich ein Test. Es war kein Zufall, dass zunächst nur Informationen unter Ausschluss persönlicher Daten verlangt wurden; und natürlich ging es zunächst (offiziell) um den Schutz von Kindern. Das macht sich ja in der Öffentlichkeit noch besser als der Kampf gegen den Terrorismus. Die nächste derartige Anfrage wird nicht mehr so viel Aufmerksamkeit produzieren und die übernächste nimmt dann schon niemand mehr wahr. Und irgendwann werden, natürlich wieder aus einem sehr plausiblen Grund, dann IP-Adressen und Cookies gefordert; doch bis dahin sind solche Datenabfragen schon so eingespielt, dass die Reaktion entsprechend gering ausfallen wird. Salamitaktik nennt man das – und Aushöhlung des Rechtsstaates. Noch ist in Deutschland ein derartiger Fall nicht bekannt geworden. Nicht weil die deutschen Behörden liberaler wären, sondern weil wir nach wie vor ein paar Internetjahre zurück liegen.